„Die Brücke“
May. 20th, 2025 05:08 pm![[syndicated profile]](https://www.dreamwidth.org/img/silk/identity/feed.png)
Deutschland, 1959
Bernhard Wickis Anti-Kriegsfilm „Die Brücke“ habe ich das erste Mal zu Schulzeiten gesehen, ich glaube es war im Geschichtsunterricht.
Manche Szenen haben sich bis heute tief in mein Gedächtnis eingebrannt als Sinnbilder für die Grausamkeit und Sinnlosigkeit des Krieges.
Sieben Jugendliche werden in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs noch eingezogen. Sie werden abgestellt, eine bedeutungslose Brücke zu verteidigen, die ohnehin gesprengt werden soll, was ihnen aber nicht bewusst ist.
Verblendet von Ideen von Vaterland und Heldenmut sind sie bereit für diese Aufgabe zu sterben…
Die Blu-ray-Veröffentlichung der Firma Film-Juwelen präsentiert den Film in scharfen Schwarzweiß-Bildern, die jedes noch so grausige Detail, seien es die Wunden oder die Angst in den Augen der Jungen mit erschreckender Klarheit nachzeichnen. Kameramann Gerd von Bonin gelingt die Gradwanderung zwischen artifizieller Bildgestaltung und dokumentarischer Atmosphäre dabei perfekt.
Auch wenn eins weiß, wie es ausgehen wird, verliert der Film nichts von dem Entsetzen, das einen als Zuschauenden ergreift, nein, es nimmt vielleicht sogar noch zu bei jeder Szene, bei jeder verpassten Chance, ihrem unweigerlichen Schicksal doch noch zu entkommen. Chancen, die sie nicht als solche begreifen, sondern als das pure Gegenteil davon, als Hindernisse bei der Erfüllung ihrer Mission für das Vaterland.
Ich hoffe, dass dieser Film auch heute noch an den Schulen gezeigt wird, denn an Wichtigkeit und Aussagekraft hat er nichts eingebüßt.
„My First Summer“ / „Mein erster Sommer“
May. 18th, 2025 03:49 pm![[syndicated profile]](https://www.dreamwidth.org/img/silk/identity/feed.png)
Australien, 2020
Die zurückgezogen lebende Schriftstellerin Veronica Fox ertrinkt eines Nachts in einem Stausee. Die 16jährige Grace entdeckt, dass das Anwesen der Autorin aber keinesfalls verlassen ist, denn dort lebt noch unentdeckt ihre ebenfalls 16jährige Tochter Claudia mit ihrem Hund Tilly. Die beiden Mädchen freunden sich an und verlieben sich langsam ineinander und das Anwesen wird ihr gemeinsamer Zufluchtsort.
In traumhaften, sonnendurchfluteten Bildern erzählt die australische Regisseurin Katie Found in ihrem Debütfilm eine Geschichte, von der sie sagt, dass sie ein Geschenk an ihr jüngeres Selbst sei, ein Film wie sie ihn selbst gerne gesehen hätte, als sie anfing ihre Sexualität zu erforschen.
Ein Film der nicht geprägt ist vom Male-Gaze und der Konzentration auf den sexuellen Aspekt der Beziehung, sondern auf die Vielfalt der Gefühle der ersten Liebe: die Neugier und die Unsicherheit, das Kribbeln und die Awkwardness.
All das verkörpern die beiden großartigen Hauptdarstellerinnen Markella Kavenagh, die in „Rings of Power“ die Nori Brandyfoot spielt, und Maiah Stewardson mit jedem Blick und jeder Geste. Mit ihrem natürlichen und nuancenreichen Spiel tragen sie den Film mit erstaunlicher Leichtigkeit und machen ihn zu einem der ehrlichsten und schönsten Coming-of-Age-Filme, die ich seit langem gesehen habe.
Die deutsche DVD (wie auch der Stream bei Prime) sind im Originalton mit deutschen Untertiteln, die englische DVD hingegen bietet englische Untertitel, ein kurzes Interview mit der Regisseurin und geschnittene Szenen und Bloopers.
„Bara no Sōretsu“ / „Funeral Parade of Roses“
May. 17th, 2025 05:56 am![[syndicated profile]](https://www.dreamwidth.org/img/silk/identity/feed.png)
Japan, 1969
Die junge trans Frau Eddie arbeitet in einer Schwulenbar in Tokyo, die dem Drogenboss Gonda gehört. Als die beiden ein Verhältnis beginnen, weckt dies die Eifersucht der Chefin des Etablissements.
Regisseur Toshio Matsumoto entfaltet in seinem Debütfilm die lose an das antike Drama „Oedipus“ angelehnte Geschichte in kunstvoll verschachtelten Kapiteln und Rückblenden, die zusätzlich von kurzen dokumentarischen Interview-Schnipseln mit „gay boys“ unterbrochen werden, die einen kleinen Einblick in das Verständnis von Gender- und Geschlechterrollen im Japan der 1960er Jahre bieten.
Kameramann Tatsuo Suzuki fängt das Geschehen in rauschhaften Schwarzweiß-Bildern ein, denen einerseits eine ungeheure Zärtlichkeit für die Hauptperson innewohnt, die andererseits aber auch gerade im überaus gewalttätigen Finale von schockierender Direktheit sein können.
Interessant zu sehen ist, dass (wie so oft bei älteren Filmen) auch hier von trans Identität im Zusammenhang mit Kindesmissbrauch und
-misshandlung erzählt wird, jedoch ohne dass die trans Identität als unmittelbare Folge des Missbrauchs oder der Misshandlung dargestellt wird, wie es z.B. in dem ein Jahr zuvor entstandenen französischen „A Woman Kills“ der Fall ist. So werden die Schläge durch Eddies Mutter eindeutig als Reaktion auf die Versuche ihres Kindes mit Make-Up gezeigt. Auch werden die Gewalttaten der Hauptfigur anders als in z.B. „Dressed to Kill“ nicht in einen psychopatischen Zusammenhang zur trans Identität gestellt.
Der homosexuelle Schauspieler, Sänger und Tänzer Shinnosuke Ikehata, in Japan besser bekannt unter seinem an Peter Pan angelehnten Künstlernamen ピーター, Pītā, der wegen seines androgynen Aussehens vielfach für trans Rollen besetzt wurde, spielt die Figur der Eddie im Spannungsfeld zwischen Verletzlichkeit, Neugier und Erwachsenwerden mit großer Glaubwürdigkeit.
Der deutschen DVD von Rapid Eye Movies liegt die 2017 entstandene 4K-Restaurierung zugrunde, was die Frage aufwirft, warum man nicht wie das British Film Institute in UK direkt mindestens eine Blu-ray daraus gemacht hat. Die 2-Disc-Veröffentlichung des BFI, die noch zahlreiche Kurzfilme des Regisseurs enthält (auch diese Gelegenheit hat Rapid Eye Movies verpasst), ist leider out-of-print, weswegen sie auf meine Suchliste gewandert ist.
„Der Untertan“
May. 16th, 2025 07:32 pm![[syndicated profile]](https://www.dreamwidth.org/img/silk/identity/feed.png)
DDR, 1951
Mit seiner Verfilmung des gleichnamigen, 1914 entstandenen und 1918 veröffentlichten Romans von Heinrich Mann ist Wolfgang Staudte eine kongeniale Adaption gelungen, in der er es, bei aller Werktreue, meisterhaft versteht, die Geschichte um den opportunistischen Emporkömmling Diederich Heßling in seine ganz eigene, für ihn typische Mischung aus beißender Gesellschaftssatire, scharf beobachteter Charakterzeichnung und kunstvollen Regie-Einfällen zu kleiden.
Die Kamera von Robert Baberske begleitet die Figur des Diedrich Heßling nicht nur, sondern entlarvt sie zugleich, stellt sie immer wieder bloß. Dieser kommentierende Blick und der feine Hintersinn der von einer Erzählerstimme aus dem Off vorgetragenen Textpassagen aus Manns Roman, die sich nahezu perfekt ergänzen, brechen die brilliante Darstellung des jungen Werner Peters ironisch, dem es bei aller Überzeichnung, die sich aus der Konzentration aller negativen Eigenschaften des deutschen Spießbürgers in einer einzigen Person ergibt, beeindruckend gelingt, diesen Heßling immer noch als Menschen und nicht als reine Karikatur darzustellen.
Mann hatte in seinem Roman den drohenden 1. Weltkrieg vorangekündigt und aufgezeigt wie Bückbürgertum und Opportunismus den Weg dahin geebnet haben. Staudte verlängert diese Projektion in den letzten Einstellungen seines Filmes durch das kurze Ertönen der Fanfaren der NS-Wochenschau und anschließenden Bildern der zerbombten Stadt bis zum deutschen Faschismus und darüber hinaus.
Dass der Film nicht zuletzt wegen dieser Schlussszene bei Erscheinen in Westdeutschland von der Presse zerrissen, von Staats wegen verboten und später zuerst nur gekürzt veröffentlicht wurde, sagt im Übrigen viel darüber aus, wie sehr Staudte auch mit diesem Film, ganz ähnlich wie vorher mit „Die Mörder sind unter uns“ und später mit „Rosen für den Staatsanwalt“ und „Die Herrenpartie“ den Finger tief in die gern versteckte Wunde der fehlenden Aufarbeitung der jüngsten NS-Vergangenheit gebohrt hat.
„Phenomena“
May. 15th, 2025 07:16 pm![[syndicated profile]](https://www.dreamwidth.org/img/silk/identity/feed.png)
Italien, 1985
„Phenomena“ war damals der erste Film, den ich von Dario Argento gesehen habe, was einer der Gründe ist, warum er für immer einen besonderen Platz in meinem Herzen haben wird, auch wenn er die Klasse eines „Suspiria“ nicht erreicht.
Vielleicht ist es aber auch einfach ungerecht, die beiden Filme miteinander vergleichen zu wollen.
Ja, beide erzählen die Geschichte eines jungen Mädchens, das fernab von zu Hause in einem Internat mit einer Mordserie konfrontiert wird.
Aber da hören die Gemeinsamkeiten eigentlich auch schon auf.
Hat das Internat bei „Suspiria“ eine zentrale Bedeutung als Schauplatz des Schreckens, dient dieses bei „Phenomena“ lediglich dazu die Hauptfigur aus ihrer gewohnten Umgebung herauszureißen und auf sich selbst zu stellen.
Die wunderbare Jennifer Connolly ist hier in ihrem zweiten Film und ihrer ersten Hauptrolle (ein Jahr vor „Reise ins Labyrinth„) zu sehen.
Sie verkörpert die Rolle der Jennifer Corvino, die telepatisch mit Insekten kommunizieren kann, mit einer überirdischen Aura, die durch die meist weiße Kleidung und geschickt eingesetzte Licht- und Zeitlupeneffekte zusätzlich verstärkt wird.
In der internationalen Fassung (die von Arrow Film in UK veröffentlichte Bluray präsentiert die 6 Minuten längere italienische Originalfassung) wurden übrigens nahezu alle Szenen und Momente entfernt, in denen Jennifer Gefühle wie Wut und Ärger zeigt, und die sie tatsächlich menschlicher erscheinen lassen.
In einem der Höhepunkte des Films (und meiner ausdrücklichen Lieblingsszene) wehrt sich Jennifer gegen die Hänseleien und Handgreiflichkeiten ihrer Mitschülerinnen, indem sie einen riesigen Fliegenschwarm zur Hilfe ruft, der die Fenster des Internats verdunkelt.
Allerdings wird dieser Aspekt ihrer Figur im weiteren Verlaufe des Films nicht wirklich vertieft. Jennifer wird also (leider!) keine Carrie mit Insekten-Power, sondern freundet sich mit dem von Horror-Ikone Donald Pleasence dargestellten Entomologen Prof. McGregor an und ist ihm dank ihrer Fähigkeiten bei der Lösung der Mordserie behilflich. Ihre Gabe verkommt dabei ein bißchen zum bloßen Hilfsmittel und so fühlt sich die Idee stellenweise einfach verschenkt an, weil sie ihrer märchenhaften Übersinnlichkeit beraubt wird.
Ich fand die ganze Geschichte um den Serienmörder in diesem Film ohnehin immer schon irgendwie überflüssig (und wenig originell gelöst). Aber wie bei fast allen Filmen Argentos aus seiner Hochphase, ist das Jammern auf hohem Niveau, denn neben der starken Darstellung von Jennifer Connolly, die den Film fast im Alleingang trägt, machen nicht zuletzt die traumhaften Bilder des Kameramanns Romano Albani und die gewohnt stimmungsvoll schräge Musik der italienischen Prog-Rock Gruppe „Goblin“ „Phenomena“ zu einem der Höhepunkte des italienischen Horrorfilms.
„The Incredible Shrinking Man“ / „Die unglaubliche Geschichte des Mister C.“
May. 15th, 2025 06:54 pm![[syndicated profile]](https://www.dreamwidth.org/img/silk/identity/feed.png)
USA, 1957
Mit „The Incredible Shrinking Man“ schuf Jack Arnold, der durch günstig produzierte, aber erstaunlich intelligente Sci-Fi- und Horrorfilme bekannt wurde, sein unumstrittendes Meisterwerk.
Die Geschichte eines Mannes, der durch die Einwirkung einer geheimnisvollen Wolke zu schrumpfen beginnt, hebt die im Genre-Kino der 1950er Jahre allgegenwärtige Angst vor Atom- und Chemiewaffen auf ein neues Level. Zwar spielt der Film mit diversen, durchaus bekannten Horror-Elementen und das mit all der Kunstfertigkeit, die das Schaffen Arnolds auszeichnete, doch gelingt es ihm am Ende mit nur wenigen Worten dem Ganzen eine sowohl gesellschaftskritische als auch religiös-philosophische Dimension zu geben, wie es nach ihm, trotz vieler Versuche, wohl nur Saul Bass mit „Phase IV“ schaffen sollte.
Auffällig dabei ist im Übrigen, dass die religiöse Ebene des Films von einer über das Christentum hinausweisenden, versöhnlichen Spiritualität geprägt ist, in der Bedeutsamkeit und Anrecht auf Hoffnung weder an Taten noch an Größe gebunden sind.
Die für ihre Entstehungszeit beeindruckenden Specialeffekte und die kunstvolle Kamerarbeit von Ellis W. Carter bilden dabei die Bühne für die akzentuierte Darstellung von Grant Williams, der ein Jahr zuvor in Arnolds leider relativ unbekannten Film Noir „Outside the Law“ einen wunderbaren Bösewicht abgegeben hatte, und hier sowohl die inneren als auch die äußeren Kämpfe seiner Figur mit Ausdruckskraft und Körpereinsatz für die Zuschauenden hautnah erlebbar macht.
Früher war der Film ein regelmäßiger Gast in den phantastischen Filmreihen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, wo ich ihn bereits als Kind das erste Mal gesehen habe, aber seine ganze künstlerische und philosophische Dimension erschloss sich mir erst Jahrzente später bei der Neusichtung auf DVD. Die Blu-ray, die von PLAION Pictures regelmäßig neu aufgelegt wird und für wirklich kleines Geld zu haben ist, gehört meiner Meinung nach in jede Sammlung anspruchsvoller Genrefilmfans.
„Caravaggio“
May. 15th, 2025 05:59 pm![[syndicated profile]](https://www.dreamwidth.org/img/silk/identity/feed.png)
Großbritannien, 1986
1986, ein Jahr bevor die Thatcher-Regierung den „Clause 28“, eine Gesetzeserweiterung gegen die „Förderung von Homosexualität“ erließ, veröffentlichte Derek Jarman seinen Film „Caravaggio„.
Darin erzählt er von der bisexuellen Dreiecksbeziehung zwischen dem Barockmaler Caravaggio (Nigel Terry, „Excalibur„) und seinen Modellen Ranuccio (Sean Bean) und Lena (Tilda Swinton).
Auch wenn in Jarmans späteren Filmen als Reaktion auf den „Clause 28“ homo-erotische Darstellungen und Themen noch mehr in den Vordergrund rücken sollten, so ist auch bereits „Caravaggio“ ein Loblied auf die Schönheit und Sinnlichkeit des männlichen Körpers und die Grenzenlosigkeit von zwischenmenschlicher Liebe und Begierde.
Um die Zeitlosigkeit der Geschichte zu unterstreichen, verweigert Jarman sich einer historisch akuraten Darstellung und baut anachronitische Requisiten und Kostüme in den Film ein.
Die Blu-Ray vom BFI (British Film Institute) präsentiert den Film in einer unglaublichen Bildqualität, mit hohem Detailgrad und einer geradezu plastischen Wiedergabe, die Jarmans hochgradig artifizielle Bildgestaltung, die deutlich von seinem Lehrmeister Ken Russell („The Devils„, „Gothic„) geprägt ist, ins rechte Licht rückt.
Die beiden Blu-Ray-Sammelboxen des BFI mit Jarmans Gesamtwerk sind leider out-of-print und lange vergriffen.
Als Einstieg in das Werk eines der wichtigsten Künstler des Queer-Cinema ist die vorliegende Einzel-Blu-ray aber ohne Einschränkungen zu empfehlen.